Bürgerforum Energiewende Hessen

Faktenchecks & Faktenpapiere

Die Faktenchecks des Bürgerforums sind öffentliche Expertendialoge: fachlich fundiert, gesellschaftlich ausgewogen und mit verständlichen Informationen zu Wind- und Wasserkraft, Solarenergie oder Genehmigungsverfahren. Mit Faktenchecks soll Klarheit geschaffen werden. In einem Faktenpapier werden die Ergebnisse dann verständlich aufgearbeitet und veröffentlicht.

Bürgerforum Energiewende Hessen

Fachdialog Qualitätssicherung naturschutzfachlicher Gutachten

Februar 2018: Die Qualität naturschutzfachlicher Gutachten im Rahmen von Genehmigungsverfahren zum Ausbau von Windenergieanlagen (WEA) steht immer wieder in der Kritik von Umwelt- und Naturschutzverbänden, Bürgerinitiativen und Einwendern. In der Presse und in den Veranstaltungen, mit denen das Landesprogramm Bürgerforum Energieland Hessen (BFEH) Kommunen bei der Umsetzung der Energiewende unterstützt, zweifeln Kritiker zumeist an der Richtigkeit der Ergebnisse faunistischer Erhebungen und Bewertungen bei Vögeln (Avifauna) und Fledermäusen. Bei den Genehmigungsverfahren kommt es dadurch teilweise zu erheblichen Konflikten oder zu Klagen. Ziel des Fachdialogs war daher, die Faktenlage zu klären und gemeinsam mit relevanten Akteuren und in Kooperation mit dem hessischen Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) die Situation der Gutachtenqualität in Hessen zu analysieren, kritischen Fragen und Aussagen nachzugehen sowie Empfehlungen für mögliche Verbesserungen herauszuarbeiten. Die Ergebnisse des Fachdialogs finden Sie hier als Download im Impulspapier Fachdialog „Qualitätssicherung naturschutzfachlicher Gutachten im Rahmen von Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen in Hessen“.

Vorgehen

Um eine Einschätzung der Situation in Hessen und erste Vorschläge zur Verbesserung der Situation zu erhalten, wurden zunächst Interviews mit ausgewählten Expertinnen und Experten durchgeführt. Befragt wurden Gutachterbüros, Projektierer, hessische und bundesweit tätige Berufsverbände beider Branchen, ehren- und hauptamtliche Vertreter des Naturschutzes sowie weitere Institutionen. Anschließend wurde die Auswertung der Interviews in einem Workshop mit Behördenvertreterinnen und -vertretern und einer akteursübergreifenden Fachdialog-Veranstaltung diskutiert und die Ergebnisse als abgestimmtes Impulspapier aufbereitet.

Die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Fachdialog auf einen Blick

  1. Bei naturschutzfachlichen Gutachten ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass viele Ereignisse in der Natur oft nur beobachtet und nicht gemessen werden können. Dies gilt insbesondere für das Vorkommen einzelner Tierarten, vor allem der Avifauna. Eine Erhebung kann hier immer nur situativ und größtenteils mit faktisch nicht reproduzierbaren Ergebnissen erfolgen – da der zu beobachtende Naturraum selbst nicht reproduzierbar ist, sondern dynamischen Veränderungen unterliegt. Diese systemimmanente Problematik der fehlenden Reproduzierbarkeit muss stärker ins Bewusstsein gerückt werden, wenn es um die Qualitätsbetrachtung naturschutzfachlicher Gutachten geht.

  2. Alle Akteursgruppen im Fachdialog haben bestätigt: Mängel bei naturschutzfachlichen Gutachten kommen auch in Hessen gelegentlich, im normalen Umfang vor. Die genannten Defizite liegen hier vor allem bei den Erfassungsmethoden und Kartierungsergebnissen, den Bewertungen der Kartierungen in Bezug auf das Planungsvorhaben und mangelnden sprachlichen Präzisierungen und Vermischungen von Begrifflichkeiten in den textlichen Erläuterungen. Durch Prüfungen, kooperative Verfahrensentwicklung und Nachforderungen durch die zuständigen Behörden im Verlauf des Verfahrens werden diese Mängel jedoch erkannt und nachgebessert.

  3. Die Kritik bezieht sich vor allem auf ältere Gutachten. Aufgrund der gestiegenen Anforderungen und im Sinne einer Planungssicherheit werden gerade von größeren Projektierern zunehmend renommierte Gutachterbüros beauftragt, die für eine gute fachliche Qualität stehen.

  4. Der häufig genannte Vorwurf der Erstellung von „Gefälligkeitsgutachten“ konnte in Hessen nach Kenntnis der beteiligten Akteure bisher nicht nachgewiesen werden. Allerdings bestätigen sie deutlich unterschiedliche Qualitätsniveaus bei den Gutachten. Gerade bei Schlussfolgerungen und der Bewertung des Projekts im Gutachten können aus einer guten Kartierungsgrundlage unterschiedliche Schlüsse gezogen werden, so dass ein Bedarf an präziseren Bewertungsvorgaben gegeben ist.

  5. Keinen nennenswerten Einfluss auf die Qualität der Gutachten hat aus Sicht der beteiligten Akteure die Beauftragungspraxis. Nach bestehender Rechtslage ist das Gutachten durch den Vorhabensträger vorzulegen, d.h. der Vorhabensträger beauftragt den Gutachter. Das oft kritisierte Abhängigkeitsverhältnis führt jedoch nicht zu einem fachlich schlechten bzw. einseitigen Gutachten. Wesentlich ist vielmehr eine intensive Abstimmung der Anforderungen und Vorgaben für die Gutachtenerstellung zwischen den Verfahrensbeteiligten sowie die Qualitätsprüfung der Gutachten durch die Behörde.

  6. Als förderlich wird die Zusammenarbeit mit dem lokalen Naturschutz betrachtet. Die konkrete Fachkenntnis vor Ort hilft, wichtige Sachverhalte bei der Gutachtenerstellung zu berücksichtigen. Wichtig ist hierfür ein gegenseitiges Vertrauensverhältnis, das dann auch in die Bevölkerung hineinwirken kann.
     
  7. Die Erstellung von Gutachten wird von den Beteiligten als Prozess gesehen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens lassen sich nach Ansicht der Akteure Nachfragen und Nachforderungen durch die Behörden auch bei den besten Gutachtern (z. B. weil Horste, Arten, Individuen oder Brutstätten übersehen würden) nicht vermeiden. Trotz guter Vorgaben und methodisch korrekter Durchführungen kann es auch immer zu unterschiedlichen Gutachtenergebnissen kommen (vgl. Nr. 1). Pauschal auf eine schlechte Gutachtenqualität oder Absicht zu schließen, ist – gerade zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Verfahren – nicht angemessen. Wesentlich ist vielmehr, dass das Gutachten am Ende des Genehmigungsverfahrens nach abschließender Prüfung durch die Behörde die erforderliche fachliche Qualität besitzt.

  8. Eine gute Öffentlichkeitsarbeit und Transparenz sind wichtige Faktoren für den Aufbau von Vertrauen in die Arbeit der Gutachter und Behörden.

  9. Handlungsansätze für ein optimiertes Vorgehen bei der Erstellung und Prüfung von Gutachten sehen alle beteiligten Akteure. Sie haben daher in den Handlungsfeldern methodische Standards bzw. Leitfaden, fachliche Anforderungen an die Gutachter, Qualitätssicherung und -kontrolle durch die Genehmigungsbehörden, Beauftragung der Gutachten und Kommunikation zwischen Behörden, Gutachtern und lokalen Akteuren/ehrenamtlicher Naturschutz Diskussionsbedarf gesehen und Empfehlungen abgegeben, die im Impulspapier näher beschrieben werden.